Entgegen dem bundesrepublikanischen Trend überaltert die Gesellschaft in Ostwestfalen-Lippe (OWL) nicht. Der Regierungsbezirk Detmold wird im Jahr 2020 die im Durchschnitt jüngsten Einwohner in Deutschland besitzen. Ursächlich für diese Entwicklung ist ein hoher Anteil an »Migranten« innerhalb der Bevölkerung. Migrationserfahrungen und Wanderungsbewegungen kennzeichnen das Einwanderungsland Deutschland seit 1945. Anhand von Quellen aus ostwestfälisch-lippischen Archiven wird diese Geschichte bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Das Ankommen und das Weggehen verändern die Abgabegesellschaft wie die Aufnahmegesellschaft. Integration muss ein wechselseitiger Prozess sein, in dem die Bedürfnisse der Immigranten und die der Aufnahmegesellschaft verhandelt werden. Der Fremde, der Gast wird im Idealfall zum Mitbürger und zur Mitbürgerin. OWL – Heimat für Fremde?
Michael Hallerberg / Fabian Kindt / Arbeitskreis ostwestfälisch-lippische Archive
Heimat für Fremde? Migration und Integration in Deutschland vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart mit Beispielen aus Ostwestfalen-Lippe
(Schriften des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bd. 16)
Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2011
ISBN : 978-3-89534-926-3
272 S., 25,0 x 17,0 cm, gebunden, Hardcover
Preis: 14,90 Euro
Rezensionen:
#1
Der Band vermittelt einen dichten und differenzierten Überblick über die Geschichte der Zuwanderung vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart in Deutschland. Die 34 Beispiele aus Ostwestfalen-Lippe verdeutlichen, wie sich die allgemeine Geschichte von Einwanderung und Eingliederung in einer Region darstellt, in der heute ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweist. Die zahlreichen Abbildungen, die den Exkursen zugeordnet sind, vermitteln auch visuelle Eindrücke von den (zum Teil sehr bedrückenden) Lebensbedingungen der Zuwanderer und Zuwanderinnen und ihrem Alltagsleben. Der Arbeitskreis ostwestfälisch-lippische Archive hat mit seiner Arbeit auf jeden Fall einen wichtigen Beitrag geleistet, damit aus dem Fragezeichen im Titel ein Ausrufezeichen werden kann: OWL – eine Heimat für Fremde!
Jürgen Scheffler, in: Lippische Mitteilungen 81, 2012#2
Am Beispiel Ostwestfalen-Lippes zeigen Michael Hallerberg und Fabian Kindt sowie der Arbeitskreis ostwestfälisch-lippischer Archive anhand ausgewählter Quellen aus ostwestfälisch-lippischen Archiven die Geschichte und Gegenwart der Einwanderung und Integration in Deutschland auf. Gerade der Regierungsbezirk Detmold ist von der Migration stark geprägt, er wird im Jahr 2020 durchschnittlich die jüngsten Einwohner Deutschlands haben. Der Quellen nahe Band stellt die Alliierte Besatzungspolitik, Displaced Persons, die DDR-Flüchtlinge und Heimatvertriebene zwischen 1945 und 1961 als Hypothek des Zweiten Weltkrieges dar. Die Migration wurde dann von »Gastarbeitern« aus dem Mittelmeerraum sowie in den achtziger und neunziger Jahren von Asylbewerbern sowie Aussiedlern aus Osteuropa und DDR-Übersiedlern geprägt. In einem eigene Kapitel werden die politische und öffentliche Zuwanderungsdebatte seit dem Jahr 2000 dargestellt. Herausgearbeitet wird, wie sich Ostwestfalen-Lippe seit dem späten 19. Jahrhundert vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland gewandelt hat. Die Migrations- und Integrationsgeschichte wird mit ihren Hintergründen und Kontroversen dargestellt, so dass deutlich wird, wie Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität integriert wurden.
Rainer Hering, in: Auskunft 33, 2013#3
Einen großen Bogen gespannt
Autoren aus ganz OWL schreiben das Buch zur Wanderausstellung »Heimat für Fremde?« im Zellentrakt
»Das Buch ist keine Erfolgsgeschichte – es spricht vor allem auch die vielen Probleme an, die mit der Migration und Integration in OWL einher gehen«, fasst Dr. Jens Murken zusammen. Der Archivar der Evangelischen Kirche von Westfalen ist einer der zahlreichen Autoren aus ganz Ostwestfalen-Lippe, die an »Heimat für Fremde?« mitgeschrieben haben – dem Buch zur gleichnamigen Wanderausstellung.
Noch bis Anfang April sind die Zeitzeugnisse im Zellentrakt des Herforder Rathauses zu besichtigen. Gestern trafen sich dort einige der Autoren, um das Buch vorzustellen.
»Das Schwergewicht der Beiträge liegt in der Einwanderungsgeschichte der früheren Nachkriegszeit«, erklärt Jens Murken, der den Arbeitskreis der Archivare während der dreijährigen Entstehungsgeschichte des Buches koordinierte. »Die Chronik der Asylbewerber und Spätaussiedler ist noch nicht so in den verschiedenen Archiven angekommen.«
Wohl aber die Geschichten der dazwischen liegenden Jahre: die der Gastarbeiter. So schreibt der Herforder Sven Krüger über die so genannten Vorbereitungsklassen in den späten 1960er Jahre. Diese Klassen, in denen zu zwei Dritteln muttersprachlicher und zu einem Drittel deutscher Unterricht stattfand, gingen auf eine Verordnung des Kultusministers von 1968 zurück.
Deutsche und ausländische Lehrer unterrichteten für ein bis zwei Jahre alle Kinder, die dem deutschsprachigen Unterricht noch nicht folgen konnten. Am Beispiel des kleinen Türken Yüksel macht Krüger deutlich, dass die Bemühungen nicht immer von Erfolg gekrönt waren.
Kerstin Stockhecke vom Hauptarchiv Bethel in Bielefeld weiß von eingewanderten Jugoslawinnen in den 60er und 70er Jahren zu berichten, die damals etwa 90 Prozent der Gebäudereinigung ausmachten. Sie räumt unter anderem mit der klassischen Vorstellung auf, dass es immer die südländischen Männer waren, die ihre Familien später nach Deutschland holten. »In diesem Fall waren es meist die Frauen, die nach Deutschland kamen und die Angehörigen später nachholten«, sagt Stockhecke.
Viele gingen zurück in ihre Heimat, andere blieben. Experten schätzen, dass etwa 25 Prozent der OWL-Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben. Der hohe Anteil an Migranten hat übrigens eine interessante Auswirkung: Im Regierungsbezirk Detmold werden im Jahr 2020 die im Durchschnitt jüngsten Einwohner Deutschlands leben.
»Wir dürften die ersten sein, die einen so großen Bogen gespannt und ein so umfassendes Werk zu dem Thema vorgelegt haben«, sagt Dr. Jens Murken.
Meiko Haselhorst, in: Neue Westfälische, 10.2.2012, Herford#4
Drei große Migrationswellen
Buch zur Ausstellung »OWL – Heimat für Fremde?« präsentiert
Schon seit dem 19. November können Interessierte die Ausstellung »OWL – Heimat für Fremde?« in der Gedenkstätte Zellentrakt besichtigen. Nun hat der Arbeitskreis den dazugehörigen Begleitband vorgestellt.
»Dass der Termin der Präsentation heute stattfindet, ist ein Glücksfall. Gerade erst wurde im Düsseldorfer Landtag das neue Migrationsgesetz verabschiedet«, berichtet Dr. Jens Murken, der die Zusammenarbeit der beteiligten Archive koordiniert hat. Das Buch, das genauso wie die Ausstellung das Thema Migration in Ostwestfalen-Lippe aufgreift, sei aber »kein typischer Begleitband«, so Murken. »Vielmehr werden darin die Inhalte der Ausstellung in eine gesamtdeutsche Rahmenhandlung eingefügt«, ergänzt Christoph Laue, Leiter des Kommunalarchivs Herford. Die Exkurse, die auch von lustigen und tragischen Begebenheiten aus der Region erzählen, sorgen dabei für Abwechslung beim Lesen.
Der in drei Jahren Arbeit entstandene und 272 Seiten starke Band bezieht sich inhaltlich auf die drei großen Migrationswellen, die nach 1945 in Deutschland einsetzten. Der Blick richtet sich dabei auf die Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten, auf die Gastarbeiter, die seit den 1950er ins Land kamen und zuletzt auf die Spätaussiedler.
»Mit diesem Buch sind wir die ersten, die die drei Ströme der Zuwanderung lokal beziehungsweise regional erforscht haben«, berichtet Murken. Er bemängelt, dass »die heutige Forschung ihren Schwerpunkt immer noch auf die Zeit kurz nach dem Krieg setzt«.
Die zur Präsentation anwesenden Autoren machten abschließend deutlich, dass der Begleitband auch zum Nachdenken anregen soll. Christoph Laue appellierte dabei besonders an die Politik. »Das Buch gibt genügend Beispiele dafür, wie Einwanderungspolitik nicht funktioniert. Vielleicht hilft es dabei, Fehler in der Zukunft zu vermeiden«, meint Laue.
Benedikt Paweltzik, in: Westfalen-Blatt, 13.2.2012, Herford#5
Neue Heimat OWL
Ausstellung und Buch erzählen von der Einwanderung in die Region seit 1945
Die Geschichte OWLs seit 1945 ist eine Geschichte der Einwanderung. Mit einer Ausstellung und einem Buch wird dieses Kapitel der Regionalhistorie erstmals umfassend dargestellt.
Von wegen bodenständig: »Die Hälfte der Menschen in Ostwestfalen-Lippe hat in der Eltern- oder Großelterngeneration ein Wanderungsschicksal«, sagt Jens Murken, Leiter des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen. Sein Haus sowie 14 andere kommunale, kirchliche und diakonische Archive der Region haben die Ausstellung »OWL – Heimat für Fremde?« konzipiert, die seit gestern in Bielefeld-Bethel zu sehen ist.
Von zwei Millionen OWLern haben 440.000 ausländische Wurzeln, allein 96.000 sind es in Bielefeld und damit fast jeder dritte Bürger. So individuell jede Lebensgeschichte ist, so unterschiedlich waren die Einwanderungswellen. Alles begann mit den Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Bis 1948 kamen 200.000 Vertriebene in die Region, wo ein dramatischer Wohnraummangel herrschte. Zwangszuweisung war die Folge. »Eine Familie ein Zimmer« lautete vielerorts die Formel. 1949 klagte ein Polizeimeister in Herford über »menschenunwürdiges Wohnen«. 1950 war jeder Sechste in OWL ein Ostflüchtling.
Gegen Ende des Jahrzehnts kamen die ersten »Gastarbeiter« – und blieben. In Bielefeld lebten 1960 gut 3000, 1971 bereits mehr als 12.000. Ihr Weg Richtung Integration über Arbeitsplatz oder sogenannte Vorbereitungsklassen für ausländische Kinder an den heimischen Schulen zeichnet die Ausstellung auf Schautafeln sowie anhand von Exponaten in Vitrinen nach. Die Spätaussiedler aus Osteuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bescherten der Region die bislang letzte große Einwanderungswelle. Vor allem sie sorgt dafür, dass OWL im Jahr 2020 – so die Prognosen – die jüngste Region Deutschlands sein wird. Aber auch die Asylbewerberdebatte der 80-er Jahre, der Dialog mit dem Islam, der zaghafte Beginn jüdischen Lebens nach dem Holocaust finden ihren Niederschlag in der Ausstellung.
Sie war in Teilen bereits in Herford zu sehen. Erstmals vollständig wird sie noch bis zum 8. Juni (werktags zwischen 9 und 16 Uhr sowie nach Vereinbarung) im Archivzentrum Bielefeld-Bethel, Bethelplatz 2, gezeigt. In den kommenden eineinhalb Jahren wandert sie durch die Region: nach Lemgo, Paderborn, Gütersloh und Detmold. Begleitend ist das 270 Seiten starke, reich bebilderte Buch »Heimat für Fremde?« erschienen. »Es eignet sich auch für den Schulunterricht«, sagt Archivleiter Murken.
Bernd Bexte, in: Westfalen-Blatt, 26.4.2012, Ostwestfalen-Lippe#6
Bevölkerungsbewegungen sind ein bestimmendes Phänomen für die deutsche Nachkriegszeit und die gesamte 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, das danach verlangt – wie Jens Murken im Vorwort schreibt – »Migration zu historisieren, nach den Bedingungen des Landes als Heimat für Fremde zu fragen«. In dem Buch geschieht diese Historisierung auf besondere Weise. Zum einen erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Thema aus einer Region heraus, die ebenfalls eine Nachkriegsschöpfung ist: »OWL« – also Ostwestfalen-Lippe, und die man gar nicht unbedingt mit Zuwanderung in Verbindung bringt, obwohl mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung dort einen Migrationshintergrund hat. Zum anderen nehmen sich die Archive der Region dieses Themas an – wohl nicht die Einrichtungen, die man als Impulsgeber für eine solche Diskussion erwartet. Entstanden ist eine Wanderausstellung und der vorliegende Begleitband, der sich in fünf Abschnitte aufteilt: Der erste (S. 29-122) beschäftigt sich mit der »Hypothek des Zweiten Weltkriegs«, von den Displaced Persons, über die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten bis hin zu den »Republikfl üchtlingen«, die aus der DDR nach OWL einwanderten. Das Folgekapitel nimmt die Gastarbeiter in den Blick, die seit den 1960er Jahren aus der Mittelmeerregion aber auch aus Polen in die Region kamen (S. 123-170). Die »Asyldebatte« der 1980er und 1990er, die Ausgrenzung und die Integrationsansätze der politischen Flüchtlinge füllen den nächsten Teil (S. 171-196). Die jüngste Zuwanderungswelle nach der Vereinigung von BRD und DDR und dem Zusammenbruch der kommunistischen Länder in Osteuropa wird auf S. 197-224 thematisiert. Die aktuellen Diskussionen zum Staatsbürgerrecht und zu den heutigen Integrationsbemühungen beschließen die Themenfolge und leiten zu einer kurzen Zusammenfassung über (S. 225-245).
Den Hauptkapiteln sind zur Illustration und zur Vertiefung von Einzelaspekten sogenannte »Exkurse« beigestellt. Sie konkretisieren einzelne Fragestellungen indem sie sie für einen Ort/einen Kreis oder eine Einrichtung nachvollziehen. Sie bilden Kristallisationspunkte für die Geschichtsund Archivarbeit, an denen die Beschäftigung der Bevölkerung mit dem lange verdrängten Thema der Zuwanderung einsetzen kann. Für die archivische Tätigkeit erbrachte die Quellensichtung und -auswertung der Autorinnen und Autoren, dass die Phänomene der Nachkriegszeit besser dokumentiert sind als die der letzten 40 Jahre. Damit auch dieser Teil der Geschichte in den Archiven der Region nachvollziehbar bleibt, appellieren die beteiligten Archive an die Zuwanderer und -organisationen organisationen sich mit »mehr nicht-amtliches Schriftgut« an der Überlieferungsbildung zu beteiligen.
»Heimat für Fremde?« ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich Archive in aktuelle politische Fragen einbringen können und welche wichtige Rolle sie als gesellschaftliches Korrektiv spielen. Das Buch macht Vieles, was für die Wanderausstellung erarbeitet worden ist, nachnutzbar und es ist zu wünschen, dass es die Diskussion um das Thema Migration und die historische Forschung dazu in den kommenden Jahren anregen wird.
Peter Worm, in: Archivpflege in Westfalen und Lippe 76, 2012#7
Seit seinem Werden ist der Mensch auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in Bewegung. Längerfristig geändert hat sich dies wohl vor allem durch die Sesshaftwerdung vor etwa 10000 Jahren, als dem Menschen die Möglichkeiten und Vorteile der Vorratshaltung bewusst und beherrschbar wurden. Hauptsächlich neue technische Beförderungsmöglichkeiten und Herstellungsverfahren haben allerdings spätestens seit dem 19. Jahrhundert wieder zu bedeutenden Verlagerungen geführt, die nunmehr als Migration bezeichnet werden.
Migration verlangen Unternehmer auf der Suche nach billigen Arbeitskräften zwecks Gewinnsteigerung und Kostenverringerung. Migration suchen Politiker, deren kaum wirklich überzeugende Politik den natürlichen Reproduktionswunsch ihrer Bevölkerung schwinden lässt oder beseitigt, so dass sie in Sorge um den Fortbestand des menschlichen Substrats ihrer Herrschaft geraten. Migration wünscht schließlich jeder, der sich irgendeinen, meist wirtschaftlichen Vorteil hiervon verspricht.
Die Verfasser gehen voll Stolz davon aus, dass entgegen dem bundesrepublikanischen Trend die Gesellschaft in Ostwestfalen-Lippe um Bielefeld und Paderborn nicht überaltert, sondern der Regierungsbezirk Detmold im Jahre 2020 die im Durchschnitt jüngsten Einwohner in Deutschland haben wird, wofür jedoch nicht die geschichtliche Ostwestfalität als solche, sondern ein hoher Anteil an Migranten ursächlich ist. Von hier aus verfolgen sie mit zahlreichen Exkursen chronologisch die historische Entwicklung von der Hypothek des Zweiten Weltkriegs über die Gastarbeiter aus dem Mittelmeerraum, die Asylbewerber und die Asyldebatte in den 1980er und 1990er Jahren sowie die Einwanderung von Aussiedlern aus Osteuropa und DDR-Übersiedlern in die Bundesrepublik Deutschland bis zur politischen und öffentlichen Zuwanderungsdebatte seit der Jahrtausendwende. Am Ende ihres vielfältigen, im Detail von zahlreichen engagierten Mitarbeitern gestalteten, mit Abbildungen veranschaulichten, urheberrechtlich der evangelischen Kirche von Westfalen zugeordneten Werkes bieten sie eine bilanzierende, den Idealfall im Wandel des Gastes zum Mitbürger und zur Mitbürgerin sehende Zusammenfassung, ein Literaturverzeichnis und eine Auswahlbibliographie.
Gerhard Köbler, in: Zeitschrift integrativer europäischer Rechtsgeschichte (ZIER) 2, 2012#8
Der Band ist als Begleitpublikation zu der gleichnamigen Ausstellung erschienen, die vom Arbeitskreis ostwestfälisch-lippische Archive erarbeitet worden ist und die in verschiedenen Archiven der Region gezeigt wird. Die Autoren und Autorinnen wollen mit ihrem Buch einen Überblick über die Geschichte der Migration und der Integration in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft vermitteln, am Beispiel der Region Ostwestfalen-Lippe. Integration wird dabei als wechselseitiger Prozess definiert, in dem sich nicht nur die Einwanderer, sondern auch die Aufnahmegesellschaft verändert und, wie es Jens Murken in seinem Vorwort formuliert, »im Idealfall bereichert« wird.
Michael Hallerberg und Fabian Kindt stellen in ihren Texten die Geschichte der Migration und der Integration von den unmittelbaren Nachkriegsjahren bis in die jüngste Vergangenheit dar. Sie stützen sich dabei auf den Forschungsstand der vergangenen Jahre. Im zweiten Hauptteil beschäftigen sie sich mit Flucht und Vertreibung als »Hypothek des Zweiten Weltkriegs« und ihren Folgen, mit der Flüchtlingspolitik sowie mit dem Leben der Heimatvertriebenen zwischen Umsiedlung, Wohnungsbau und Lastenausgleich. Im dritten Hauptteil steht die Zuwanderung der sog. Gastarbeiter im Zentrum. Im vierten Hauptteil geht es um die Asylbewerber und die Asyldebatte in den 1980er und 1990er Jahren, im fünften um die Einwanderung von Aussiedlern aus Osteuropa und der DDR. Abschließend widmen sie sich der öffentlichen und politischen Zuwanderungsdebatte seit der Jahrtausendwende.
An die Übersichtsdarstellungen zu den einzelnen Kapiteln und Abschnitten schließen sich Exkurse verschiedener Autoren und Autorinnen an, die vielfältige Aspekte der Migration und Integration an Beispielen aus der Region Ostwestfalen-Lippe darstellen. Im Anschluss an die Einleitung gibt Rico Quaschny einen Überblick über die Geschichte des Hauptquartiers der Britischen Rheinarmee in Bad Oeynhausen. Im zweiten Hauptteil schreiben Rolf-Dietrich Müller über das Sozialwerk Stukenbrock, Christoph Laue über die Rückführung der Zwangsarbeiter aus der Region, Dagmar Giesecke über die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Bielefeld nach 1945 und Hans-Jörg Kühne über die Beckhofsiedlung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Der dritte Teil umfasst Beiträge über den Orts-Flüchtlingsausschuss in Lemgo (Marcel Oeben), die Eingliederung der Vertriebenen im Kreis Herford (Christoph Laue), das Ostvertrieben-Sozialwerk Detmold (Hermann Niebuhr) sowie die Ansiedlung katholischer Flüchtlinge in den evangelischen Landesteilen (Arnold Otto).
Jens Murken weist in seinem Vorwort darauf hin, wie lückenhaft die Überlieferung zum dritten Themenschwerpunkt ist, der Zuwanderung und der Integration der Gastarbeiter. So fehlt vor allem nicht-amtliches Schriftgut von Menschen mit Migrationshintergrund. Umso wichtiger sind die Beiträge dieses Themenschwerpunktes (u.a.) über die erste Gastarbeitergeneration im Kreis Herford (Christoph Laue und Benedikt Paweltzik), über Gastarbeiter in Bielefeld (Bernd J. Wagner), die sog. Griechenbetreuung des Evangelischen Gemeindedienstes in Bielefeld (Bärbel Thau) und die jugoslawischen Gastarbeiterinnen in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (Kerstin Stockhecke). Zum Thema Asylpolitik und Asylbewerber haben Christoph Laue (Aussiedler und Asylbewerber in Herford), Jens Murken und Carsten Stühring (Kirchenasyl) und Arnold Otto (Integrationshilfe und Beratung für Asylbewerber und Spätaussiedler) Beiträge beigesteuert, zum Thema Aussiedler aus Osteuropa und aus der ehemaligen DDR Bärbel Thau (Aussiedlerbetreuung im Übergangswohnheim Teichsheide in Bielefeld) und Rolf-Dietrich Müller (Übersiedlerwohnanlage Staumühle bei Sennelager). Abschließend beschäftigen sich Carsten Stühring und Ricarda Twellmann mit dem interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen, und Monika Guist porträtiert Khatareh Soltani, die mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen ist und seit dem Jahr 2000 in Herford lebt.
Der Band vermittelt einen dichten und differenzierten Überblick über die Geschichte der Zuwanderung vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart in Deutschland. Die 34 Beispiele aus Ostwestfalen-Lippe, als Exkurse gekennzeichnet, verdeutlichen darüber hinaus, wie sich die allgemeine Geschichte von Einwanderung und Eingliederung in einer Region darstellt, in der heute ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweist. Die zahlreichen Abbildungen, die den Exkursen zugeordnet sind, vermitteln auch visuelle Eindrücke von den (zum Teil sehr bedrückenden) Lebensbedingungen der Zuwanderer und Zuwanderinnen und ihrem Alltagsleben. Dem Band und der Ausstellung ist eine breite Resonanz zu wünschen. Der Arbeitskreis ostwestfälisch-lippische Archive hat mit seiner Arbeit auf jeden Fall einen wichtigen Beitrag geleistet, damit aus dem Fragezeichen im Titel ein Ausrufezeichen werden kann: OWL – eine Heimat für Fremde!
Jürgen Scheffler, in: Lippische Mitteilungen 81, 2012#9
Zu den beachtenswertesten Neuerscheinungen zählt zweifelsohne die von ostwestfälisch-lippischen Archivarinnen und Archivaren erarbeitete Studie zur Migrationsgeschichte der Region nach 1945. Redakteur Jens Murken, Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Bielefeld, benennt mehrere Sonderbedingungen, die die Untersuchung besonders für Ostwestfalen-Lippe relevant erscheinen lassen. Eine Region, die im 19. Jahrhundert überdurchschnittlich viele Menschen durch die Auswanderung nach Amerika verlor, zeichnet sich in der jüngsten Vergangenheit durch einen ebenso hohen Grad der Einwanderung aus. Dieser Gewinn ist nicht nur an einem günstigeren Verlauf der demografischen Entwicklung ablesbar, sondern gebietet ein genaueres Hinschauen auf den Einzelfall, der die vermeintlich Alt-Eingesessenen für ihre eigene Herkunftsgeschichte sensibilisiert.
Das Interesse gilt zunächst der kriegsbedingten Zuwanderung von Flüchtlingen und Vertriebenen vermittels einzelner Ortsstudien. ohnbaracken und die sogenannten Nissenhütten stehen für Lebensbedingungen, die heutzutage eher in der Dritten Welt die Regel sind. Dass die massenhafte Beschäftigung von Südeuropäern und Türken als ephemere Erscheinung begriffen wurde, zeigt die Bezeichnung dieser Arbeitsmigranten als Gastarbeiter. Die Untersuchung ihrer Lebensbedingungen steht erst am Anfang. Inhaltlich wie methodisch wird in der anzuzeigenden Studie Pionierarbeit geleistet. Den regionalen Auswirkungen staatlicher Asylpolitik in den 1990er Jahren folgt die Untersuchung der Bedingungen und Folgen der Zuwanderung aus Osteuropa und der DDR. Bei der aktuellen Debatte um die Integrationspolitik steht vor allem das interreligiöse Gespräch im Vordergrund.
Wohl selten haben sich Archivarinnen und Archivare so engagiert eines der bedeutsamsten gesellschaftspolitischen Gegenwartsthemen angenommen. Profitieren konnten sie von den wissenschaftlichen Erträgen des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. Eine ergänzende Wanderausstellung unterstreicht den Anspruch, Ostwestfalen-Lippe als Heimat für Fremde aspektreich zu präsentieren.
Rolf Westheider, in: Heimatjahrbuch Kreis Gütersloh, 2012
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