Der 13. Juni 1945 gilt als Gründungsdatum der EKvW.
Münster war zwischen 1933 und 1945 zum Symbol für eine fremdbestimmte, unchristliche Leitung der evangelischen Kirche in Westfalen geworden. Die zudem schwer kriegszerstörte und katholisch geprägte Stadt verlor somit aus mehreren Gründen ihren Rang als Amtssitz der westfälischen Kirche an Bielefeld.[1]
Bielefeld ist seit 1945/46 Sitz der Evangelischen Kirche von Westfalen und damit gleichsam westfälische „Bischofsstadt“.[2] Die Entwicklung dahin und danach war komplexer und komplizierter als es sich in einem Satz zusammenfassen lässt. Architektonischer Ausdruck für die Präsenz der Landeskirche in Bielefeld ist das 1956 eingeweihte Landeskirchenamt am Altstädter Kirchplatz 5.[3] Darüber hinaus gibt es eine Reihe von landeskirchlichen Ämtern, Werken und Einrichtungen außerhalb des Landeskirchenamtes, aber auch außerhalb Bielefelds: So befindet sich beispielsweise das Haus Landeskirchlicher Dienste in Dortmund, und so bildet auch Haus Villigst in Schwerte den Standort für das Amt für Jugendarbeit, das Pädagogische Institut, das Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung, das Evangelische Studienwerk und für das Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen. Im Landeskirchenamt in Bielefeld haben hingegen die kirchliche Verwaltung und die Kirchenleitung ihren zentralen Dienstsitz. Bis Kriegsende befand sich die behördliche, damals aber noch nicht geistliche Zentrale im Evangelischen Konsistorium am Domplatz im Herzen von Münster.

Der dortige Konsistorialpräsident Dr. jur. Gerhard Thümmel (1895-1971), der dem Konsistorium während der NS-Zeit – neben einer geteilten und in Konflikt zueinander stehenden Geistlichen Leitung – eine starke Stellung sicherte, ordnete im Frühjahr 1942 eine Modifikation der Geschäftsverteilung des Evangelischen Konsistoriums an, mit der er auf die Kriegslage reagierte: „Trotz wesentlicher Verringerung der kirchlichen Beamtenschaft durch Einberufung zur Wehrmacht müssen heute verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme in größerem Umfange und schneller gelöst werden als im Frieden.“ Dies sei nur zu leisten, wenn die gesamte Verwaltung so zweckmäßig und einfach wie möglich gestaltet werde.[4] Unter anderem konnten nunmehr die Bürobeamten Posteingänge vielfach unter eigener Verantwortung bearbeiten, mussten meist nicht mehr den juristischen Dezernatsleiter hinzuziehen. Zudem wurde die Dezernatsverteilung des Generaldezernats verändert. Eine weitere Änderung der Dezernatsverteilung wurde notwendig, als das Dienstgebäude des Konsistoriums am Domplatz 3 in Münster am 10. Oktober 1943 aufgrund alliierter Bombardierung zerstört wurde.[5] Seit dem 2. April 1945 dann war Münster militärisch von amerikanischen und britischen Truppen besetzt.[6] Der Dienstbetrieb des Konsistoriums ruhte gleichwohl kaum mehr als eine Woche, als die Militärregierung der Kirchenbehörde die Nutzung einiger Gebäude zugestand, darunter die auch dienstlich genutzte Privatwohnung von Konsistorialpräsident Thümmel und Oberkonsistorialrat Philipps im Kreuzviertel (Melchersstraße 57).
Für Thümmel war es mit der militärischen Besetzung Westfalens durch die Alliierten offensichtlich, dass die Basis der kirchenregimentlichen Befugnisse des Münsteraner Konsistoriums erloschen war. Unterbrochen war zudem der Kontakt zu den kirchlichen Zentralstellen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (APU), in der Westfalen eine der zugehörigen Kirchenprovinzen darstellte. Thümmel verfügte aufgrund dessen am 14. April 1945, dass Beschlüsse des Konsistoriums fortan nicht mehr von ihm allein, sondern durch Plenarbeschluss zu fassen seien, womit er sich vom „Führerprinzip“ in der kirchlichen Verwaltung verabschiedete und zudem eine Neufassung der provinzialkirchlichen Leitung intendierte.[7] Während einer Sitzung des Konsistoriums am 16. April teilte Thümmel seine Verfügung Oberkonsistorialrat Philipps und den Konsistorialräten Franke und Hardt mit. Das Plenum des Konsistoriums formulierte dann ein Schreiben an Präses Koch, in dem es ihn über Thümmels Vorhaben informierte und angesichts des Leitungsvakuums zugleich Kochs Funktion als Präses der Provinzialsynode als das einzige noch bestehende „verfassungs- und kirchenordnungsmäßige Amt der provinzialkirchlichen Selbstverwaltung“ bezeichnete. Daher müsse Koch aufgrund seiner Rolle und Reputation nunmehr unverzüglich eine neue, vorläufige Kirchenleitung für Westfalen bilden.

(Foto: Karl Rasche, Bad Oeynhausen) (LkA EKvW 25 F 12a)
Karl Koch (1876-1951) war seit 1904 zunächst Pfarrer in Holtrup-Uffeln gewesen, seit 1915 dann in Bad Oeynhausen-Altstadt. Das Amt des Superintendenten hatte er seit 1927 inne, seit 1928 war er zudem Präses der westfälischen Provinzialsynode. Während der Zeit des „Kirchenkampfes“ im Nationalsozialismus hatte Koch auch als Präses der Westfälischen Bekenntnissynode gewirkt.[8] Er war Vorsitzender des Westfälischen Bruderrates und (mit Ausnahme der D.C.-Pfarrer und DC‑Gemeinden) „Geistliche Leitung“ der Kirchenprovinz Westfalen.
Noch am 16. April 1945 fuhr Konsistorialrat Rudolf Hardt (1900-1959), später als Betheler Anstaltsleiter Nachfolger von Friedrich v. Bodelschwingh d. J. (1877-1946),[9] mit dem Fahrrad von Münster nach Bielefeld, um Präses Koch dieses Schreiben und Anliegen des Konsistoriums zu überbringen.[10] Damit begann eine Phase der Zweigleisigkeit der kirchlichen Verwaltung in Münster und Bielefeld.
Am 24. April 1945 teilte Präses Koch, der aus dem vom britischen Hauptquartier belegten Bad Oeynhausen nach Bielefeld übergesiedelt war, auf Anraten von Konsistorialpräsident Thümmel per Rundschreiben den Kirchengemeinden der Kirchenprovinz mit, dass er das Amt als Präses der Provinzialsynode wieder wahrnehme. Dieses schien als das – wie gesagt – einzig verbliebene kirchenordnungsmäßige Amt der kirchlichen Selbstverwaltung über die hinreichende Legitimität zu verfügen, die Bildung einer Kirchenleitung zu initiieren.[11] In seinem Schreiben informierte Koch die Kirchengemeinden darüber, dass er aufgrund einer Ermächtigung des Provinzialkirchenrates vom 16. November 1934 gleichsam kirchenleitend agieren werde und ersuchte zugleich das Konsistorium, im Einvernehmen mit ihm, die kirchlichen Verwaltungsgeschäfte weiter zu führen.[12] Die Fortführung und Daseinsberechtigung des Konsistoriums war innerhalb der Theologenschaft, insbesondere auf Seiten des Westfälischen Bruderrates der Bekennenden Kirche (BK), gleichwohl nicht unumstritten, denn Koch war ein Vertreter der gemäßigten und nicht der dahlemitischen Linie der BK.[13]
Zu den weiteren Konsequenzen aus der militärischen Besetzung Münsters und der gewandelten Rechtslage der kirchlichen Verwaltung gehörte die am 19./27. April 1945 auf den Weg gebrachte Auflösung der Finanzabteilung beim Konsistorium, wodurch nach zehnjährigem staatlichen Eingriff die Hoheit über ihre Finanzen wieder an die Kirche gelangte.[14] Und am 28. April 1945 erließ Konsistorialpräsident Thümmel eine neuerliche Änderung der Geschäftsverteilung, nachdem klar war, dass der außer Dienst gestellte deutsch-christliche (D.C.) Konsistorialrat Friedrich Hagemann „nicht nach Münster zurück [kommt]“.[15]
Zu diesem Zeitpunkt war die westfälische Kirche weiterhin eine Provinz innerhalb der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, und auch das Deutsche Reich hatte noch nicht kapituliert (was bekanntlich erst am 8. Mai 1945 geschah). Durch ein von Präses Koch am 13. Juni 1945 verfasstes (und von Mitgliedern der künftigen Kirchenleitung am 22. Juni 1945 verabschiedetes) Schreiben „An die Gemeinden, Pfarrer und Kirchenvertretungen von Westfalen“ erklärte Westfalen dann aber handstreichartig seine Selbständigkeit als neue Landeskirche und verließ und unterminierte damit bewusst die altpreußische Landeskirche[16] – einen Monat, nachdem sich auch bereits eine neue Leitung der „Evangelischen Kirche der Rheinprovinz“, der anderen westdeutschen APU-Provinz, konstituiert hatte.[17]
Im weiteren Verlauf der ersten Nachkriegszeit kam es zu verschiedentlichen weiteren Änderungen der Geschäftsverteilung. Eine grundlegende Veränderung war bereits mit der im Juni 1945 im Einvernehmen mit dem Bruderrat der Westfälischen Bekenntnissynode erfolgten[18] und am 7. Juli 1945 durch Konsistorialpräsident Thümmel vermeldeten Bildung einer neuen Leitung der „Evangelischen Kirche von Westfalen“ durch Präses Koch eingetreten. Koch übernahm damals auch die Aufgaben des Generalsuperintendenten von Westfalen und damit auch den Vorsitz im Konsistorium.[19] Das Konsistorium hörte am 1. April 1947 auf zu existieren und wurde ersetzt durch das Landeskirchenamt, das auf dem Anstaltsgelände in Bethel ein neues Gebäude erhielt. Bis zu dessen Fertigstellung und Bezugsfähigkeit am 1. September 1949 wurde die kirchliche Verwaltung weiterhin zweigleisig in Münster und Bielefeld geführt,[20] in Bielefeld provisorisch in einem Gebäude der Familie des Präses in der Stapenhorststraße 24, sowie bis zum Neubau des Landeskirchenamtes am Altstädter Kirchplatz mehrere Jahre lang in weiteren voneinander getrennten Dienststellen in der Stadt und in Bethel.[21] Im Gebäude Assapheum in Bethel trat seit ihrer ersten Nachkriegstagung im Juli 1946 fortan auch die Provinzial- bzw. Landessynode zusammen, also das Kirchenparlament und oberstes Entscheidungsorgan der Evangelischen Kirche von Westfalen. Das evangelisch geprägte Bielefeld entwickelte sich in der Nachkriegszeit damit zum Sitz aller zentralen Instanzen der neuen westfälischen Landeskirche:[22] Die Synode kam aus Soest, das Konsistorium aus Münster und der Präses aus Bad Oeynhausen in die Stadt am Teutoburger Wald. Präses Koch fungierte als „Vorsitzender des Landeskirchenamtes“, beanspruchte aber nicht nur die Leitung der provinzialkirchlichen Selbstverwaltung, sondern das Kirchenregiment überhaupt.[23] Sein Nachfolger als Präses wurde 1949 für zwei Jahrzehnte Ernst Wilm (1901-1989).[24] Wilm hatte sich als Anhänger der Bekennenden Kirche (BK) und Gemeindepfarrer in Mennighüffen öffentlich gegen die Tötung Geisteskranker (sog. „T4-Aktion“) gestellt und war daraufhin mehrere Jahre lang im Konzentrationslager Dachau inhaftiert worden. Der Jurist Thümmel, der persönlich einige Jahre mit der „Unsicherheit meiner Rechtsstellung“ zu leben hatte, wurde unter Präses Wilm durch Beschluss der Kirchenleitung vom 31. Dezember 1948 zu einem der beiden rechtskundigen Kirchenleitungsmitglieder. Mit Wirkung vom 1. Januar 1949 wurde er aus seinem bisherigen Amt als Konsistorialpräsident in den Dienst der Evangelischen Kirche von Westfalen übernommen und zum juristischen Vizepräsidenten ernannt.[25] Theologischer Vizepräsident wurde Karl Lücking (1893-1976), der in der NS-Zeit zu den führenden Männern der Bekennenden Kirche in Westfalen gehört hatte und zeitweise inhaftiert war.[26] Er war als nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung in das im Entstehen begriffene Landeskirchenamt gekommen, hatte dieses aber „fest in der Hand“ und entwickelte „Kirchenführerqualität“.[27] – Diese Zeiten des Neuaufbaus, in denen aus der preußischen Provinzialkirche die Evangelische Kirche von Westfalen wurde und die ihre besonderen Anforderungen hatten,[28] sind längst vorbei. Das kollegiale Element in der Leitung der Kirche ist zunehmend gestärkt worden und die kirchliche Verwaltung hat sich zunehmend ausdifferenziert, um den heutigen vielfältigen gesellschaftlichen und kirchlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Wie in jeder Behörde finden im Landeskirchenamt Selbstverwaltung und die Organisation der Anliegen der eigenen Mitglieder auf (kirchen-)gesetzlicher Grundlage statt, also Service und Dienstleistung nach innen und nach außen. Die Evangelische Kirche von Westfalen hatte seit ihrer Verselbständigung nach dem Zweiten Weltkrieg (bis heute) auf demselben Territorium zwischen 2,2 und 3,5 Millionen Mitglieder. Die Zahl der Kirchengemeinden schwankte in diesem Zeitraum zwischen 500 und 680. Das Landeskirchenamt in Bielefeld tritt, wie geschildert, als Hauptverwaltung bzw. als zentrale kirchliche Behörde der Evangelischen Kirche von Westfalen in Erscheinung.[29] Die Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und die wesentlichen Arbeitsabläufe werden insbesondere durch Kirchengesetze, Geschäftsordnungen und Geschäftsverteilungspläne eindeutig und nachvollziehbar festgelegt. Aufgrund der Beendigung ihrer konsistorialen Elemente und der Konzentration auf ihre presbyterial-synodale Tradition nach 1945/53 beruht die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen, beginnend auf Gemeindeebene, auf repräsentativen Wahlämtern und ‑gremien. Das Landeskirchenamt sorgt für ein einheitliches Verwaltungshandeln, so dass es im behördlichen Alltag zentrale und dezentrale Elemente, das Aushandeln der Verfahren und Inhalte zwischen „oben“ und „unten“ sowie viel Beratungstätigkeit gibt. Die nach dem Krieg erarbeitete neue Kirchenordnung legte die Leitung der Kirche in Hände des oder (seit 2012 erstmalig in Westfalen) der Präses. Damit wurde das bisherige Neben- und auch Gegeneinander von „drei Kutschern auf einem Bock“, nämlich von Generalsuperintendent, Konsistorialpräsident und Präses, abgeschafft.[30] Das Präsesamt blieb als einziges Bestehen, nahm die anderen in sich auf und schließt somit heute am Dienstsitz in Bielefeld die geistliche Leitung und die Leitung der kirchlichen Verwaltung mit ein. Zugleich legte die neue Kirchenordnung fest, dass die Kirchengemeinden ihre Aufgaben im Rahmen der kirchlichen Ordnung in eigener Verantwortung erfüllen. Jene in den Nachkriegsjahren entworfene und zum 1. Dezember 1953 in Kraft getretene Kirchenordnung dokumentiert nicht nur die endgültige Auflösung der alten preußischen Landeskirche, innerhalb derer Westfalen als einzelne Provinz unter anderen vertreten war, sondern sie bildet – bis heute – die Grundlage für die Verfassung, den Bekenntnisstand und den Gottesdienst in der Evangelischen Kirche von Westfalen.[31]
Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Theologen und Juristen im Landeskirchenamt änderten sich im Laufe der Jahrzehnte, mitunter graduell (durch Differenzierung vorhandener Aufgabenfelder), mitunter elementar (aufgrund rechtlicher Veränderungen, z.B. die Gleichstellung der Theologinnen 1975). Im Jahr 1947, als insgesamt rund 60 Mitarbeitende der landeskirchlichen Verwaltung gezählt wurden (heute sind es rund 200), kümmerten sich die theologischen Dezernenten u.a. um die Stellung der Evangelischen Kirche in Staat und Gesellschaft, um Konfessions- und Weltanschauungsfragen, um Angelegenheiten der Geistlichen und auch der früheren Wehrmacht, um den Kindergottesdienst, die kirchliche Jugendarbeit, die Männerarbeit und die Frauenarbeit, die Innere Mission und die Äußere Mission, die Diakonie und die Volkskirchliche Arbeit, die Seelsorge in Krankenhäusern, in sog. Mischehen (zwischen Katholiken und Protestanten) und an den Masuren, um die Kirchengeschichte, die kirchliche Statistik, den Kirchbau und die kirchliche Kunst, um das kulturelle Leben in Presse, Film und Rundfunk, um die Schule und den Religionsunterricht, die Kirchenmusik, Liturgie und das Gesangbuch, um die Amtshandlungen (Taufen, Trauungen, Beerdigungen etc.), die Sonn- und Festtage und die sog. Kirchenzucht (d.h. die Sicherstellung der kirchlichen Ordnung und Lehre), um Kirchenaustritte und Kirchenübertritte, um die Seelsorge an chronisch kranken bzw. behinderten Menschen („Schwerhörige, Gehörlose, Geisteskranke“) und an Gefangenen sowie an Strafentlassenen.[32] Die Aufgabenvielfalt kann als Ausdruck des volkskirchlichen Anspruchs der evangelischen Kirche verstanden werden, die sich in dieser Zeit nach dem Ende des Krieges und des Nationalsozialismus – in bewusster Hinwendung zur Politik und mit der Vorstellung einer Rechristianisierung des deutschen Volkes – zugleich zu ihrer Verantwortung für das öffentliche Leben bekannte.[33] Die Aufgaben der Juristen im Landeskirchenamt beziehen sich auf die Wahrung kirchlicher Ansprüche und Rechte (insb. Staatsleistungen und Staatskirchenrecht) sowie auf die innerkirchliche Ordnung und Organisation und deren Einhaltung: kirchliche Finanzwirtschaft und Vermögensverwaltung, Besoldungs- und Versorgungsrecht, Dienstbetrieb des Landeskirchenamtes, kirchliches Dienstrecht, Patronats- und Pfarrstellenbesetzungsrecht, Kirchensteuern, Disziplinarangelegenheiten, Friedhöfe und Bestattungen, Kirchenmitgliedschaft, kirchlicher Grundbesitz und Bauwesen, auch Orgeln und Glocken, sowie Archivwesen und Kirchenbücher.[34] Da die Evangelische Kirche von Westfalen nach dem Kriege aus einer preußischen Provinzkirche zu einer selbstständigen Landeskirche wurde, hatten und haben die theologischen und juristischen Dezernenten nicht nur allesamt „interessante und wichtige Aufgaben“, sondern auch verantwortungsvollere Tätigkeiten als die früheren Konsistorialräte.[35] Viele dieser Tätigkeitsfelder haben über das Landeskirchenamt und den kirchlichen Raum hinaus gesellschaftliche Relevanz und stehen im öffentlichen Diskurs: transparente Kirchensteuern und Finanzwirtschaft, Kirche vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, Diakonie in der Balance zwischen gelebter christlicher Nächstenliebe und wettbewerblichen Anforderungen, Ökumene und Mission weltweit im Dialog mit Menschen anderer Konfessionen, Religionen und Kulturkreise.[36] Das Landeskirchenamt in Bielefeld ist somit nicht nur ein repräsentatives Bauwerk im Zentrum der Stadt und eine funktional differenzierte Behörde der kirchlichen Selbstverwaltung, sondern auch ein evangelisches Kompetenzzentrum mit gesamtgesellschaftlicher Verantwortung.

[1] Dieser Beitrag erschien in veränderter Form ursprünglich anlässlich des Bielefelder Stadtjubiläums 2014: Jens Murken: Das Landeskirchenamt in Bielefeld. Sitz der Evangelischen Kirche von Westfalen, in: Andreas Beaugrand (Hg.): Stadtbuch Bielefeld 1214-2014, Bielefeld 2013, 534-537.
[2] Bernd Hey: Vorwort, in: Ders. (Hg.): Kirchenleitung in Bielefeld. 50 Jahre Landeskirchenamt am Altstädter Kirchplatz, Bielefeld 2006, 9.
[3] Vgl. zum Neubau auch die Bauzeichnungen in: Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen (LkA EKvW) 0.1, Nr. 166, sowie den Beitrag „Bielefeld als Sitz der evangelischen Landeskirche“ von Bernd Hey, in: Andreas Beaugrand (Hg.): Stadtbuch Bielefeld. Tradition und Fortschritt in der ostwestfälischen Metropole, Bielefeld 1996, 168-171.
[4] Konsistorialpräsident Gerhard Thümmel, Umdruck, 27.3.1942, in: LkA EKvW 0.9, Nr. 89.
[5] Ders., Änderung der Dezernatsverteilung, 10.11.1943, in: ebd.
[6] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 40f. – Vgl. Stadtarchiv Münster: Kriegschronik. Münster im Zweiten Weltkrieg: https://www.muenster.de/stadt/kriegschronik/1945_kriegsende.html
[7] Vgl. Jürgen Kampmann: Von der altpreußischen Provinzial- zur westfälischen Landeskirche (1945-1953), Bielefeld 1998, 162-165.
[8] Vgl. Jürgen Kampmann (Hg.): Karl Koch. Pfarrer, Superintendent und Präses aus dem Kirchenkreis Vlotho, Vlotho 2004; Wilhelm Niemöller: Karl Koch. Präses der Bekenntnissynoden, Bethel bei Bielefeld 1956; Martin Arends: „Die Zeit des Bekennens ist gekommen!“ Präses Karl Koch (1876-1951) und seine Rolle im Widerstand der Bekennenden Kirche gegen das Dritte Reich, Arpke 2017.
[9] Vgl. Friedrich Wilhelm Bauks: Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980, 181.
[10] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 41.
[11] Vgl. Hans Steinberg: Von der Kirchenprovinz Westfalen zur Evangelischen Kirche von Westfalen – Einführung in die Geschichte und ihre Quellen, in: JWKG 86/1992, 219-232, hier: 220; Jürgen Kampmann: Von der altpreußischen Provinzial- zur westfälischen Landeskirche (1945-1953), Bielefeld 1998, 171-178.
[12] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 41.
[13] Jürgen Kampmann: Neue Leitung am neuen Ort. Die Verlegung der kirchlichen Leitung und Verwaltung für die evangelische Kirche in Westfalen von Münster nach Bielefeld, in: Bernd Hey (Hg.): Kirchenleitung in Bielefeld, 2006, 15.
[14] Vgl. Jürgen Kampmann: Von der altpreußischen Provinzial- zur westfälischen Landeskirche (1945-1953), Bielefeld 1998, 169-171.
[15] Konsistorialpräsident Thümmel, Änderung der Dezernatsverteilung, 28.4.1945, in: LkA EKvW 0.9, Nr. 89. Hagemann wurde 1947 Pfarrer in Kamen und wechselte 1958 als Pfarrer nach Düsseldorf, vgl. Friedrich Wilhelm Bauks: Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980, 176.
[16] Bernd Hey: Landesgeschichte und Kirchengeschichte – Bestandsaufnahme und Perspektiven, in: JWKG 100/2005, 17-28, hier: 23. – Vgl. Jürgen Kampmann: Von der altpreußischen Provinzial- zur westfälischen Landeskirche (1945-1953), Bielefeld 1998, 221-231.
[17] Vgl. dazu die Geburtsurkunde der Evangelischen Kirche im Rheinland: „Vereinbarung zur Wiederherstellung einer bekenntnisgebundenen Ordnung und Leitung der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz“, 15.5.1945, in: Joachim Beckmann: Hoffnung für die Kirche in dieser Zeit. Beiträge zur kirchlichen Zeitgeschichte 1946-1974, Göttingen 1981, 3-5; Uwe Kaminsky: Die Evangelische Kirche im Rheinland 1918 bis 1989. Eine Übersicht, in: Evangelisch am Rhein. Werden und Wesen einer Landeskirche, im Auftrag des Ausschusses für Rheinische Kirchengeschichte hg. v. Joachim Conrad, Düsseldorf 2007, 96-120, hier: 101.
[18] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 42.
[19] Konsistorialpräsident Thümmel, Änderung der Dezernatsverteilung, 28.4.1945, in: LkA EKvW 0.9, Nr. 89; ders., Rundschreiben, 7.7.1945, in: ebd. – Der neuen Kirchenleitung gehörten neben Präses Koch noch Pfarrer Brandes (Lengerich), Konsistorialrat Hardt (Münster), Pfarrer Dr. Kleßmann (Jöllenbeck), Superintendent Kunst (Herford), Pfarrer Lücking (Barkhausen), Pfarrer Nockemann (Dortmund), Superintendent Philipps (Kamen) und Pfarrer Lic. Dr. Schlinck (Bielefeld) an. Die Geschäftsverteilung bzw. Aufgaben für diese theologischen Dezernate sind ebd. listenförmig und knapp festgehalten worden. – Weitere Geschäftsverteilungspläne, so jene vom 27.6.1947 und vom 20.1.1949, finden sich ebd.
[20] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 48, 51.
[21] Jürgen Kampmann: Neue Leitung, in: Bernd Hey (Hg.): Kirchenleitung in Bielefeld, 2006, 13, Anm. 22; vgl. Bernd Hey: Vom Büro Präses Koch zum Landeskirchenamt, von der Stapenhorststraße zum Altstädter Kirchplatz, in: ebd., 23-26.
[22] Vgl. zur (Neu-)Bildung der westfälischen Landeskirche auch den Nachlass Karl Lücking, hier: LkA EKvW 3.10, Nr. 207.
[23] Jürgen Kampmann: Neue Leitung, in: Bernd Hey (Hg.): Kirchenleitung in Bielefeld, 2006, 15.
[24] Vgl. Bernd Hey/Matthias Rickling: Das Kreuz ging mit: Ernst Wilm (1901-1989), Bielefeld 2001.
[25] Vgl. Hans Steinberg (Hg.): Gerhard Thümmel – 40 Jahre kirchliche Verwaltung 1925-1965, Bielefeld 1987, 51.
[26] Vgl. Nachlass Karl Lücking: LkA EKvW Bestand 3.10.
[27] Werner Danielsmeyer: Führungen. Ein Leben im Dienste der Kirche, Bielefeld 1982, 121. Vgl. Bernd Hey/Ingrun Osterfinke: „Drei Kutscher auf einem Bock“. Die Inhaber der kirchlichen Leitungsämter im evangelischen Westfalen (1815-1996), Bielefeld 1996.
[28] Vgl. dazu Jürgen Kampmann: Von der altpreußischen Provinzial- zur westfälischen Landeskirche (1945-1953), Bielefeld 1998.
[29] Mit dem Begriff „Landeskirchenamt“ wird neben der Kirchenverwaltung zugleich das Gebäude am Altstädter Kirchplatz 5 bezeichnet sowie das Kollegium als jenes Gremium aus theologischen und juristischen Dezernent(inn)en, das im Auftrag der Kirchenleitung die laufenden Geschäfte führt.
[30] Vgl. Werner Danielsmeyer: Führungen. Ein Leben im Dienste der Kirche, Bielefeld 1982, 118f.
[31] Werner Danielsmeyer: Führungen. Ein Leben im Dienste der Kirche, Bielefeld 1982, 181.
[32] Präses Karl Koch, 27.6.1947, Geschäftsverteilung für die theologischen Dezernate, in: LkA EKvW 0.9 neu, PR 0089.
[33] Vgl. Martin Greschat: Die evangelische Christenheit und die deutsche Geschichte nach 1945. Weichenstellungen in der Nachkriegszeit, Stuttgart 2002.
[34] Präses Ernst Wilm, 22.7.1949, Geschäftsverteilung für die juristischen Dezernate, in: LkA EKvW 0.9 neu, PR 0089.
[35] Werner Danielsmeyer: Führungen. Ein Leben im Dienste der Kirche, Bielefeld 1982, 140.
[36] Vgl. Landeskirchenamt der EKvW, Redaktion: Andreas Duderstedt/Uwe Moggert-Seils: Evangelisch in Westfalen. Glauben aus gutem Grund, 2. akt. Aufl. 2013.