Jüdische Elementarschule Scharmbeck

Schulchronik 1894 – 1924/38:

Im Centrum Judaicum in Berlin konnte ich vor einigen Jahren bei Archivstudien die „Schulchronik für die Jüdische Elementarschule Scharmbeck“ einsehen und kopieren sowie transkribieren und kommentieren. An dieser Stelle steht die Schulchronik zum Download zur Verfügung:

chroniktitel

Quellennachweis: Archiv der Stiftung „Neue Synagoge Berlin“ – Centrum Judaicum: CJA, 1, 75 A Os 1, Nr. 35, #5697, Bl. 1-18.

Die Jüdische Gemeinde im Amt Osterholz resp. in den beiden Gemeinden Osterholz und Scharmbeck erbaute nach dem Brand ihrer alten Synagoge im Jahr 1864 eine neue Synagoge in der Bahnhofstraße. Das Gebäude beinhaltete auch die Jüdische Elementarschule, also die Volksschule der jüdischen Religionsgemeinschaft. Mit dem Schuljahr 1894 trat Leopold Löwenstein seinen Dienst als neuer Lehrer der Jüdischen Elementarschule an. Seither führte er die Schulchronik. Der später verwitwete Leopold Löwenstein sollte auch der letzte Lehrer der bereits 1924 aufgelösten jüdischen Schule sein. Er trat 1933 in den Ruhestand bewohnte aber noch bis 1938 das Synagogengebäude in der Bahnhofstraße. Der letzte Eintrag in der Schulchronik stammt vom September 1938:

„Wegen Ausfall der steuerkräftigen Mitglieder und neuer starker steuerlicher Belastung durch Grund- und Hauszinssteuer ist die Gemeinde nicht mehr in der Lage, die Synagoge zu halten, die zum Verkauf gestellt wird. Da der Lehrer dadurch seine Wohnung verliert, ist er gezwungen, fortzuziehen und wird nach 45jähriger Tätigkeit seinen Wirkungskreis verlassen, um zu Verwandten nach Etteln bei Paderborn zu ziehen. Es steht noch dahin, wie die Kinder religiös betreut werden. Nach Vorschlag des Landrabbiners Dr. Aber in Bremen sollen sie entweder am Relig[ions] Unterricht in Bremen teilnehmen oder durch den Lehrer Goldner in Wesermünde hier unterrichtet werden. Die Gemeinde zählt jetzt noch 31 Seelen.“

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Abb.: Das Gebäude der vormaligen Synagoge in Osterholz-Scharmbeck im Jahr 1939 (Foto: Kreisarchiv Osterholz)

In der Pogromnacht am 9.11.1938 wurde versucht, die Synagoge niederzubrennen, was jedoch vom Brandmeister unterbunden werden konnte. Die spätere Deportation jüdischer Bürger aus der Osterholzer Kreisstadt konnte jedoch nicht verhindert werden. 1939 erwarb die Stadt Osterholz-Scharmbeck das Gebäude, das seither von verschiedenen Institutionen genutzt worden ist. 2003/2004 entschloss sich die Stadt zum Abriss des Gebäudes sowie an dessen Stelle zur Schaffung eines Mahnmals zum Gedenken an die jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung und des Holocaust, die bis dahin in Osterholz-Scharmbeck gelebt hatten (2006).

Der 1886 geborene Ritterhuder Kaufmann und Schneidermeister Isaak ter Berg hatte als Syna­gogen­vor­steher der kleinen jüdischen Gemeinde Osterholz-Scharmbeck gewirkt. Sie ist einst­mals – nach Lehe-Gee­ste­münde – die bedeutendste im Regierungsbezirk Stade ge­we­sen. Anfang November 1938 muß­te er dem Stader Regierungspräsidenten mit­tei­len, daß die jüdische Gemeinde durch den „Fort­zug des größten Teils seiner steu­er­zah­­­lenden Mitglieder nicht mehr lebensfähig“ war. Zu­­sammen mit dem unterdessen „ver­­zogenen“ Leopold Löwenstein hatte ter Berg noch die Ge­mein­de­akten, Teile des Kir­chen­­inventars und Thorarollen an das Berliner Gesamt-Archiv der Juden und die Han­­no­versche Synagogen-Gemeinde übersandt, Gemeindebücher und Schriftverkehr wur­­­den in seinem Privathaus untergebracht. Im Archiv der Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judai­cum“ befinden sich heutzutage 40 Akten­ein­hei­ten (0,60 lfm.) der Jahre 1839-1938 über die jüdische Gemeinde in Osterholz und Scharmbeck (Bestand 1, 75A Os 1). Isaak ter Bergs letzte Adres­­se war im Übrigen das „Judenhaus“ in der Parkstraße 1 in Bremen. Nach sei­ner Depor­tation wur­­de er in Minsk umgebracht.

Siehe auch den Beitrag: „Jüdisches Leben und Leiden in Osterholz“ (PDF)

 

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